Wie transparent ist Medien-Deutschland wirklich?

Für den Media Ownership Monitor (MOM), der bereits in mehr als 27 Ländern erscheint, wäre Deutschland ein leichtes Unterfangen gewesen. Denn: Eigentümer und Geschäftsführer stehen im Handelsregister, das seit einiger Zeit kostenlos einsehbar ist. Zudem haben Journalisten Zugang zum Transparenzregister. Dort sind nicht nur die Anteilseigner verzeichnet, sondern auch die wirtschaftlich Berechtigten, also die Personen, die tatsächlich hinter dem Unternehmen stehen. Diese transparent darzustellen, ist die Mission von MOM.

Insbesondere für Medienunternehmen ist die Datenbank der KEK, der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, hilfreich. Auch hier sind über mehrere Ebenen die Eigentümer von Medienmarken recherchierbar. 

Wozu also noch der Media Ownership Monitor?

Menschen hinter Medien

In erster Linie, damit die tatsächlich entscheidenden Personen hinter Medienmarken sichtbar dargestellt werden. Denn diese lassen sich oftmals im Handelsregister oder in der KEK-Datenbank nur über mehrere Ebenen von Beteiligungsgesellschaften herausfinden. 

Zum anderen, weil die Transparenz deutscher Unternehmen, speziell von Medienunternehmen, eben doch nicht so einfach gegeben ist – oder ein unterschiedliches Verständnis von Transparenz vorherrscht.

Ein Beispiel sind die beiden größten Medienkonzerne Deutschlands. Die Axel Springer SE stellt ihre wirtschaftlich Berechtigten auf ihrer Website in einem Diagramm dar. Dieses spart Beteiligungsunternehmen aus und zeigt direkt die Personen hinter den Anteilen.

Auch Bertelsmann bietet ein ähnliches Diagramm auf seiner Website an. Doch wer im Reich von RTL & Co. das Sagen hat, lässt sich aus der Aktionärsstruktur nur schwer ableiten.

Dies liegt vor allem an der Rechtsform der SE & Co. KGaA, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien mit einer Europäischen Aktiengesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin, die von einem Vorstand gelenkt wird. Die Bertelsmann Management SE übt jedoch die Geschäftsführung im Konzern aus. Und wer lenkt den Vorstand? Die Familie Mohn und die Bertelsmann Stiftung? Und was bedeutet 100 % Stimmrechtskontrolle durch die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG)?

Ein Blick in die ausführlichen MOM-Profile zeigt, dass hier die Familie Mohn das Sagen hat, allen voran die Matriarchin Elisabeth „Liz“ Mohn. Aus der Grafik auf der Bertelsmann Seite geht das so nicht hervor – im Gegenteil.

Recht und Rechtsform

Bei den Recherchen rund um den Media Ownership Monitor fällt außerdem auf, dass sich viele Medienunternehmen ungewöhnlicher Rechtsformen bedienen. 

Oftmals werden Mischformen aus Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften (KG) und Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, SE) gebildet. 

Warum das Ganze? 

Diese Struktur ermöglicht eine Haftungsbeschränkung, da die GmbH als Komplementärin unbeschränkt haftet, während die Kommanditisten nur bis zur Höhe ihrer Einlage haften. Steuerlich profitieren Unternehmen von möglichen Gewerbesteuerersparnissen und der flexiblen Besteuerung der Gewinne auf Ebene der Gesellschafter. Zudem bietet diese Mischform Flexibilität in der Unternehmensführung, da die GmbH die Geschäftsführung übernehmen kann, während sich beispielsweise Familienmitglieder als Kommanditisten beteiligen können, ohne Einfluss auf das Tagesgeschäft zu haben. Auch die Gewinnverteilung und die Besteuerung können besser gestaltet werden. 

Reine Kapitalgesellschaften unterliegen zudem strengen Buchführungspflichten, die je nach Größenklasse variieren und eine detaillierte Offenlegung der Jahresabschlüsse erfordern. Für Kommanditgesellschaften müssen im Handelsregister nur bestimmte Informationen, wie die Haftsumme der Kommanditisten, eingetragen werden. Die genaue Höhe der Einlagen oder die wirtschaftliche Berechtigung der Gesellschafter ist im Handelsregister nicht ersichtlich, da diese Details im Gesellschaftsvertrag geregelt sind und dieser nicht öffentlich einsehbar ist.

Die Wahl dieser Mischrechtsformen ist komplett legal, erschwert aber die Recherche nach den ultimativen Eigentümern von Medienunternehmen. 

Das MOM-Team hat zu Beginn des Projektes alle Medienunternehmen angefragt und sie gebeten, unter anderem ihre Stimmanteile im Gesellschafterkreis mitzuteilen. 

Ein Verleger antwortete:

„Ich verstehe nebenbei auch nicht, wie man transparenter als mit den öffentlichen Unterlagen sein kann.”

Geschrieben hat das Jan Ippen, der Sohn des Verlegers Dirk Ippen. Ironischerweise sind die Medienunternehmen, an denen die Familie Ippen beteiligt ist, so komplex verschachtelt, dass sie selbst über „öffentliche Unterlagen” nur schwer zu erfassen sind. 

Ein Beispiel: Die Familie hält an der Carl Hinnerwisch Verlag GmbH & Co. KG 80 Prozent direkt, allerdings noch weitere 6,72 Prozent indirekt über ihre indirekte Beteiligung über die F. Wolff & Sohn KG.

Zudem halten Vater, Sohn und Neffe jeweils persönliche Beteiligungen an den Verlagen im Netzwerk. 

Medien, Macht, Matriarchinnen

Bei der Recherche nach den tatsächlichen Menschen hinter den Medienmarken, den so genannten wirtschaftlich Berechtigten oder ultimate beneficial owners (UBO), ist uns etwas aufgefallen.

Hinter den meisten großen deutschen Medienkonzernen steht eine Frau.

  • Friede Springer gehören 23,5 Prozent der Axel Springer SE.
  • Liz Mohn hat offenkundig das Sagen in der Mohn-Familie, der 96,7 Prozent des Bertelsmann-Konzerns gehören.
  • Elisabeth Burda-Furtwängler gehören bereits jetzt schon 37,5 Prozent der Anteile von Hubert Burda Media. Sie wird später weitere Anteile von ihrem Vater Hubert Burda erben.
  • Sylvia Madsack hält 19,9 % an der Madsack Mediengruppe.
  • Yvonne Bauer hält 85 Prozent der Anteile am Bauer Verlag. 
  • Julia Becker ist nicht nur Vorsitzende des Aufsichtsrates der Funke Mediengruppe, sondern gemeinsam mit ihrer Mutter Petra Grotkamp und ihren Geschwistern Nora Marx und Niklas Wilcke Eigentümerin.

In allen Fällen wurden die Anteile an den Medienunternehmen vererbt. 

Interessante individuelle Interessen

Im Journalismus ist es üblich, die Redaktion vom dahinter stehenden Unternehmen zu trennen. Das bedeutet, dass die Geschäftsführung und die Eigentümer nicht in die täglichen Entscheidungen der Redaktion eingreifen. Das sichert die Unabhängigkeit des Mediums von Verlagsinteressen, zum Beispiel bei der Darstellung von Anzeigenkunden. Es hilft aber auch der Geschäftsführung, gegenüber Anzeigenkunden selbstbewusster aufzutreten, weil sie deren redaktionelle Wünsche mit Verweis auf das Trennungsgebot leichter abwehren kann. 

Dennoch sind Medien natürlich Wirtschaftsunternehmen und dienen in der Regel ihren Eigentümern. Die Verleger gehen mit ihrem theoretischen Einfluss unterschiedlich um. Einige geben Blattlinien vor, andere äußern Wünsche, viele halten sich aber auch einfach heraus.

Um mögliche Interessenkonflikte einschätzen zu können, ist nicht nur wichtig zu wissen, wem Medien gehören, sondern auch, welche Interessen hier eine Rolle spielen könnten. Dies könnten Partei- und Vereinsmitgliedschaften, andere Unternehmensbeteiligungen oder auch nur einfache persönliche Bekanntschaften sein.

In der MOM-Datenbank lässt sich nachlesen, dass Sylvia Madsack Hotels im Verbreitungsgebiet einer Tageszeitung aus dem Madsack-Verlag besitzt. Oder dass große Teile von ProSieben der italienischen Familie Berlusconi gehören, die früher in der Politik aktiv war. Ungewöhnlich ist auch, dass die Partei SPD diverse Medienbeteiligungen hält, vor allem am Madsack-Verlag und über Ecken auch am Radiosender Antenne Bayern. 

Aus verschiedenen Gründen ist es in Deutschland nicht so einfach, die wirklichen Köpfe hinter den Medienmarken ausfindig zu machen. Zwar ist die Ausgangslage mit kostenlosen Handelsregistern und vielen Offenlegungspflichten im Vergleich zu anderen Ländern gut. Aber es gibt immer noch genügend Möglichkeiten, die Besitzverhältnisse zu verschleiern oder zumindest schwer nachvollziehbar zu machen.

Dafür ist die MOM-Datenbank gut. Die tatsächlichen Personen hinter Medienmarken bedeuten allerdings nicht, dass diese unbeschränkt Einfluss auf die journalistischen Inhalte nehmen. Aber das Wissen darum hilft Medienkonsumenten, bestimmte Informationen einordnen zu können.

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